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Bildschirmkalibration unter Linux

23. März 2010

Vorgeplänkel:

Nachdem ich meinen ersten Laptop gekauft hatte fiel mir sofort der Farb- und Kontrastunterschied zwischen dem Röhrenmonitor meines Arbeitsplatzrechners und dem Flüssigkristallbildschirm meines Laptops auf (beide mit Linux). Besonders bei Digitalkamerafotos konnte ich Strukturen in dunklen Bereichen des Bildes auf meinem Laptop klar erkennen, während ich bei meinem PC an diesen Stellen nur schwarz sah. Die Erhöhung des Gammawertes auf dem PC löste zwar das Problem in den dunklen Bereichen, alle hellen Stellen waren aber nun sehr ausgeblichen. Auf der anderen Seite schien mein Laptop eine hellblaue Grundfarbe zu haben. Blauer Himmel und grünes Gras leuchteten sehr kräftig, während die Haut von Menschen immer recht ungesund fahl ausah (abgesehen von den automatischen Saftfarbverbesserungen gängiger Digitalkameras – „bunter als die Wirklichkeit“).

Software:

Die Lösung für dieses Problem ist ein gerätespezifisches Farbprofil („ICC-Datei“), welche das entsprechende Grafiksystem einliest (für Bildschirme unter Linux also X-Window) und dann anhand dessen Vorgaben die an den Bildschirm ausgelieferten Grafikdaten so verändert, das der Darstellungsfehler ausgeglichen wird. Zunächst benötigt man aber ersteinmal solch ein Profil und außerdem braucht man unter X-Window ein spezielles Programm, das ein derartiges Profil passend läd, indem es anhand des Profils die interne Farbzuordnungstabelle der Grafikkarte (LUT) entsprechend verändert. Sehr schnell wird man feststellen, dass es zwei freie Farbverwaltungssysteme gibt mit denen man Farbprofile erstellen kann: LittleCMS zusammen mit dem grafischen Programm lprof und ArgyllCMS, eine Sammlung von Kommandozeilenwerkzeugen. Allerdings kann nur ArgyllCMS ein Bildschirmfarbprofil mittels eines Bildschirmkalibrationsgeräts erstellen.

Unter OpenSuse findet sich ArgyllCMS in der erweiterten Fotoprogrammsammlung: http://download.opensuse.org/repositories/multimedia:/photo/. Sie ist standardmäßig nicht in der Liste der Installationsquellen enthalten, kann aber einfach hinzugefügt werden, indem man die URL in Yast im Modul „Software-Pepositories“ hinzufügt und aktiviert. Anschließend kann man ArgyllCMS über Yast einfach installieren. Es ist dringend empfohlen gleich auch die Dokumentation mitzuinstallieren (welche sich dann im HTML-Format unter /usr/share/doc/packages/argyllcms-doc/ befindet). Dort sind auch alle unterstützten Kalibrationsgeräte ausführlich aufgelistet.

Nach dieser Vorarbeit war es eine schöner Zufall, dass ich mir auf dem letzten nürnberger Wikipedianertreffen ein „Eye-One Display 2“ ausleihen konnte, um damit meine beiden Bildschirme zu kalibieren. Da die Dokumentation von ArgyllCMS einen doch einigermaßen erschlagen kann und viele Experimentiermöglichkeiten bietet, dauerte es eine Weile bis ich durchstieg. Letztlich stellte sich heraus, dass die erstellten Profile erhebliche Farb- und Kontrastverbesserungen gegenüber dem unkalibierten Bildschirm brachten, ich aber zwischen einem in einer einfachen Messung erstellten Profil und einem aufwendiger gemessenen Profil keinen Unterschied erkennen konnte.

Einfache Kalibration:

Fürs Erste reicht es also vollkommen aus ein ganz einfaches Profil zu erstellen, indem man die Helligkeit auf oder nahe dem Maximum einstellt (für maximale Helligkeitsdifferenz und somit genauere Messung), eine Konsole mit Rootrechten öffnet, das Kolorimeter an den Rechner anschließt und folgenden Befehl ausführt:

dispcal -v -yl -o Mein_Bildschirmprofil

Sollte man einen Röhrenmonitor haben gibt man statt „-yl“ einfach „-yc“ ein. Das Programm fordert einen nun auf das Kalibrationsgerät auf dem nun erscheinenden Farbfleck auf dem Display zu legen und anschließend kann die Kalibration (im Menüpunkt 7) gestartet werden. Nachdem das Programm fertig ist kann man das neuerstellte Profil testweise laden:

dispwin Mein_Bildschirmprofil.icc

Es sollte nun eine bemerkbare Farbveränderung des Bildschirms stattgefunden haben. Um das Profil wieder aus der Grafikkarte zu entfernen gibt man

dispwin -c

ein und alles ist wie vorher. Es sollte aufgefallen sein, dass der Bildschirm mit geladenem Profil etwas mehr warm-orange wirkt.

Generell haben praktisch alle Bildschirme einen Blaustich und da das menschliche Sehsystem permament Farbstiche zu neutralisieren sucht (Farben sind „Informationsdifferenz“ zum Durchschnitt der Umgebung) fällt einem das helle Blau nach einer Weile nicht mehr unmittelbar auf. Viele Benutzer verstärken dies noch zusätzlich, indem sie die Farbtemperatur des Bildschirms auf sehr hohe Werte stellen. Dies hat zur Folge, dass der Bildschirm sehr hell und klar erscheint und insbesondere Blautöne, wie Himmel, strahlend blau wirken. Jedoch leiden darunter vor allem Fotos, da die Ockertöne von Haut nun eher ungesund und blass aussehen. Deswegen wird man beim Bildschirmkauf im Laden fast immer nur Demos mit Wasser, Himmel und neuerdings im HDR-Wahn mit heiterer Bewölkung finden und der Käufer ist im wahrsten Sinne des Wortes geblendet. Daheim beim Betrachten der Digicamschnappschüsse, welche in aller Regel Fotos von Menschen sind, ist man dann enttäuscht und fragt sich „ob man wirklich so scheiße aussieht wie auf dem Bild“. Nein tut man nicht. Der Bildschirm und die Digicam sind falsch.

Feintuning:

Um bestmögliche Resultate zu erzielen hat man bei Laptops wenig Tuningmöglichkeiten außer einen Wert nahe der maximalen Helligkeit einzustellen. Allerdings wandert der sogenannte Weißpunkt zumindest bei meinem Samsung-NC-10-Netbook bei großer Helligkeit noch weiter Richtung Blau. Um für alle Helligkeiten einen annehmbare Annäherung des Weißpunktes zu finden kann man in diesem Fall bei der Kalibration eine Helligkeit um 80 – 90 % ausprobieren. Bei LCD-Bildschirmen für PCs empfielt es sich die Farbeinstellung des Monitors auf Standardwerten zu haben. Zurücksetzen auf Herstellereinstellungen und 100% Helligkeit ist daher grundsätzlich keine falsche Ausgangsbasis. Insbesondere Kontrast (der dort nur über eine Helligkeitsänderung simuliert wird) und Farbtemperatur sollten man bei der Kalibration von LCDs nur dann ändern, wenn man alles Andere bereits ausprobiert hat. Bei Röhrenmonitoren empfielt es sich die Farbtemperatur und den Kontrast interaktiv mit Dispcal auf möglichst korrekte Werte vor der Kalibration anzupassen, da diese Geräte auch intern rein analog arbeiten.

Nachdem man dies gemacht hat kann man dann auch ein genaueres Profil (mit 836 Einzelfarbmessungen, für mehr siehe die Hilfe von targen) mit folgenden Befehlen erstellen („yl“ oder „yc“ jeweils passend zum Monitortyp):

dispcal -v -yl -F Mein_Bildschirmprofil
targen -v -d3 Mein_Bildschirmprofil
dispread -F -yl -v -k Mein_Bildschirmprofil.cal Mein_Bildschirmprofil
colprof -v -D "Name meines Bildschirms" -qh -as Mein_Bildschirmprofil

Das fertige Profil findet sich wieder in „Mein_Bildschirmprofil.icc“. dispcal erstellt in diesem Fall ein Vorkalibrationsprofil (Mein_Bildschirmprofil.cal), welches bei der eigentlichen Kalibration mit dispread bereits in die Grafikkarte geladen wird und somit für genauere Messung sorgt. targen erzeugt die Tabelle der zu messenden Farbfelder und colprof erstellt ein fertiges Profil mit „hoher Qualität“ (-qh). Insbesondere bei Röhrenmonitoren empfielt sich bei dispcal und dispread die Option „-F“, welche den Bildschirm schwarz stellt, da auf Röhrenmonitoren helle Bildschirmbereiche stark in dunkle Bereiche austrahlen und somit den Schwarzpunkt verfälschen. Allerdings muss man bei der Option „-F“ die Programme blind bedienen und sollte also ein paarmal spielen und sich merken wann man welche Taste drücken muss.

Dauerhafte Konfiguration:

Will man das Bildschirmprofil pro Benutzer installieren geht dies ganz einfach mit:

dispwin -I Mein_Bildschirmprofil.icc

Das Profil wird dadurch in einen tief verschachtelten Ordner unterhalb von ~/.local/share/color abgelegt. Der genaue Pfad steht in ~/.config/color.jcnf. Diese Informationen muss man aber nicht unbedingt wissen. Damit das Profil dauerhaft bei jedem Neustart geladen wird trägt man in seine lokale .xinitrc folgenden Befehl ein:

dispwin -L

Möchte man global für alle Benutzer das Profil beim Starten des X-Servers laden kopiert man das Profil bspw. nach /usr/local/share/color/Mein_Bildschirmprofil.icc und trägt in der globalen /etc/X11/xinit/xinitrc „dispwin /usr/local/share/color/Mein_Bildschirmprofil.icc“ ein.

Mit beiden Methoden wird man jedoch beim Fortsetzen einer Computersitzung aus dem Tiefschlaf („Suspend to Disk“) feststellen, dass das Profil nicht geladen ist. Für diesen Fall muss man dann entweder händisch oder mittels eines geeignet in der Energieverwaltung des Rechners eingetragenen zusätzlichen Aufrufs von dispwin nach der entsprechenden obigen Variante das Profil nachladen. Der Grund hierfür ist, dass der Inhalt des Grafikkartenspeichers beim Tiefschlaf nicht vollständig mitgesichert wird und aufgrund des Forsetzens der Sitzung die xinitrc nicht erneut geladen wird. Man kann dieses Problem mittels eines geeigneten Aufrufs von „dispwin -D &“ umgehen, da in diesem Fall dispwin geladen bleibt und permanent den Monitor auf Änderungen überprüft. Zumindest auf meinem PC ist dies jedoch nicht ratsam, den ausdrücklich als experimentell gekennzeichneten Deamon-Modus von dispwin zu nutzen, da es nahezu 100% der verfügbaren CPU-Zeit beansprucht.

Zum Abschluss des schon eh überlangen Textes sei noch ein LWN-Artikel zum Thema Farben unter Linux empfohlen, der zwar nicht sonderlich in die Tiefe geht, aber auf weitere interessante aber leider noch weitgehend unbekannte Softwareprojekte rund um Farben und Linux verweist: SCALE 8x: Color management for everyone.

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Die Macht der Bilder

21. März 2010

Felistoria brachte die „Vulvendebatte“ zur heutigen Wikipediahauptseite treffend auf den Punkt (absichtlich unverlinkt) und ihre Worte verdienen es zwischen den Fronten der selbsternannten „Kinderschützer“ und der ebenso selbsternannten „Freiheitsschützer“ (als schlössen sich Kinder und Freiheit aus) mehr Gehör zu finden:

[…] mir sind dabei zwei Dinge aufgefallen: 1. der erstaunliche Mangel an sogenannter „Medienkompetenz“ (insbesondere im Hinblick auf die Wirkung von Bildern) und 2. die zum Teil amüsante sprachliche Selbstbeschummelei. Wie auch immer: das Bild wird dafür sorgen, dass niemand den Artikel liest, sondern sich zuvörderst in die fotografischen Arrangements „vertiefen“ wird. Schade um die Mühe der schreibenden Autoren.

Vielleicht lernt man ja für die Zukunft, dass sexuelle Aufklärung stets not tut und auch Kinder wissen sollten, wie Erwachsene natürlicherweise so aussehen (also nackt, stellenweise behaart, ungeschminkt und so weiter…) und andererseits man sich sehr bewusst ist, dass niemand sich der Wirkung von Bildern entziehen kann und deswegen Bilder von menschlichen Geschlechtsteilen, welche nunmal auch die unabänderlichen menschlichen Triebe ansprechen (und somit den Verstand behindern, an den sich Wikipedia wendet), einen passenden Kontext benötigen (bspw. einen Artikel) damit sie aufklärende Wirkung erzielen und eine Hauptseite der denkbar ungeeignetste Platz für Fotoaufklärung ist.

Und vielleicht zieht man dann sachliche Nackt- und Sexbilderkritik auch nicht mehr sofort in den Dreck der Lächerlichkeit und macht sich über das Spektakel mit einer Tüte Popcorn in der Hand lustig oder gar schlimmer wirft wahlweise mit den Keulen „Prüderie!“, „Zensur!“ und „Perversion!“ um sich (weil nur ein kranker Geist sich über soetwas den Kopf heißreden könne).

Gefangen in der Gegenwart

10. Januar 2010

Meine persönliche Meinung zur Relevanzdebatte (und Ideen zu ihrer Lösung) habe ich bereits 2007 niedergeschrieben und dem ist auch heute nichts weiter hinzuzufügen.

Dennoch finde ich es seltsam, dass so mancher in Blogs, Foren und sonstigen Diskussionen verkündet, dass Wikipedia keinen Plan vom Netz und den wichtigen Dingen die darin passieren habe, weil DIE Wikipedia DIESEN brandaktuellen Artikel auch nur infrage stellt.

Schaut man aber mal in Wikipedia nach, dann sieht man, dass die Gegenwart des Internets in Wikipedia quantitativ recht gut vertreten ist. Die Vergangenheit des Internets hingegen ist eher wenig vorhanden, obwohl sie niemand gelöscht hat. Ist die Vergangenheit des eigenen Lebensraumes für all die Netzwesen da draußen etwa so uninteressant, dass sie keine Artikel dazu schreiben möchten und sich lieber darüber streiten, welche Sau gerade aktuell durchs Netz getrieben wird und wie wichtig ein Wikipediaartikel dazu ist?

Dabei gäbe es zur Vergangenheit des Internets so viel spannendes zu schreiben und obendrein weiß man von ihr ja bereits was sich bis heute bewährt hat und was nicht… Weil von hätte und wäre nichts wird habe ich einfach mal angefangen diesem Missstand zumindest ein klein wenig abzuhelfen und habe drei neue Artikel zu World-Wide-Web-Klassikern geschrieben:

Die Vergangenheit des Internets bietet noch etliche mehr ungeschriebene Artikel deren „Relevanz“ wirklich keiner bestreitet (gut der eine oder andere Idiot vielleicht schon, aber die sind da chancenlos).

Kurzum wenn man sich für Artikel zu Internetthemen interessiert und einen Artikel aus der Vergangenheit des Internets schreibt, schreibt man nicht das was alle schreiben (synchrontwittern bspw. :p), sticht also aus der Masse heraus, hat weniger Stress mit den „Löschkandidaten“ usw. und betritt echtes Neuland, in dem man sich austoben kann…

Als Bonus gewinnt man einen klareren Blick auf die Gegenwart und befreit sich aus dem Hyperfokus auf das Jetzt. Der Netzgemeinde würde es jedenfalls sehr gut tun.