Dies ist kein Blogbeitrag über den unsäglichen Spamwebwahlkampf der Piraten, der – hätte ihn eine andere Partei geführt – ob der Methoden und des Auftretens vieler Piratenmitglieder und Sympatisanten, welches on- wie offline immer mehr Der Welle glich, zu einem furiosen Aufschrei der Piraten geführt hätte.
Mir geht es vielmehr um die Frage, ob und wenn ja wie man in Wikipedia zukünftig unmittelbar vor einer (Parlaments-)Wahl mit umstrittenen Artikeln zu politischen Themen umgeht.
Bislang gibt es bei heftigen Edit-Wars zumeist den Modus, dass ein Administrator den Artikel auf eine Version seiner Wahl zurücksetzt (oft eine vor dem Streit, sofern erkennbar), mit einem Neutralitätswarnhinweis kennzeichnet und zeitlich befristet sperrt, damit die Kontrahenten sich erst einmal auf der Diskussionsseite austauschen und einigen müssen. Natürlich ist eine solchermaßen festgepinnte Artikelversion für mindestens eine beteiligte Seite immer die falsche Version. Bei Artikeln über lebende Personen hat sich aufgrund des notwendigen Schutzes der Persönlichkeitsrechte eine etwas abweichende Herangehensweise etabliert: Kontroverse Inhalte werden bei Konflikten viel eher temporär entfernt und der Artikel auf einer „entschärften“ Version gesperrt, bis sich der Pulverdampf zumindest etwas gelegt hat und mehr Klarheit darüber besteht, was in welcher Form im Artikel Erwähnung finden muss.
Bei Artikel zu politischen Parteien bspw. besteht für die Betroffenen zwecks Wählerstimmengewinnung ein Anreiz zumindest bis zum Wahltag möglichst positiv dort wegzukommen, also zum Einen missliebige Informationen rauszuhalten und zum anderen für sie günstig erscheinende Dinge bevorzugt hineinzubekommen. Soweit so „normal“. Sollte nun aber ein Parteiartikel aufgrund eines Edit-Wars vor der Wahl auf einer Version festgepinnt werden, welche kein ausgewogenes Bild rund um Personen, Ereignisse, Skandale usw. zu dieser Partei zeichnet, so hat einer der Kontrahenten aufgrund der zeitlich beschränkten stark erhöhten Zugriffszahlen und den eventuellen Einflüssen auf das Wahlverhalten einen unangemessenen Vorteil. Auch übliche Warnhinweise wie die Neutralitätswarnung helfen gerade bei „Aufregerthemen“ und den damit einhergehenden Denkschemata (auch der Leser) nur bedingt weiter.
Natürlich hat man mit dem Einwand recht, dass Wikipedia (wie jede andere Informationssammlung auch) stets mit gesunder Skepsis gelesen und niemals alleinig konsultiert werden sollte. Von daher kann man auf den Gedanken kommen, dass man keine Verantwortung für die Folgen auf „dumme“ Leser zu übernehmen brauche. Wikipedia legt aber auch großen Wert auf die Qualität seiner Artikel und sich wie Pontius Pilatus zum neutralen Beobachter zu erklären, den alles andere nichts anginge, ist auch eine allzu leichtfertige Position, welche den Zielen der Wikipedia nur schaden kann.
Mit diesen Gedanken im Hinterkopf hatte ich zunächst auf der Diskussionsseite des Artikels zur Piratenpartei eine Quellenliste kritischer Sichten zur Einarbeitung für andere Autoren vorgeschlagen. Ich wollte dies nicht selbst tun, da ich mich aufgrund meiner stark ablehnenden Haltung zu dieser Partei als nicht geeignet empfand. Ein anderer Autor regte daraufhin an, dass im Gegenteil eher weitere aufgebauschte Themen aus dem Artikel herausgenommen werden sollten, bis sich auf der Diskussionsseite ein Kompromiss abzeichnet, was wirklich erwähnenswert für den Artikel ist.
Da bis zum Bundestagswahlsonntag am 27. September keine realistische Überarbeitung für die Piraten sowohl positiv als auch negativ erscheinender Kontroversen möglich war, wollte ich daher bis dahin wenigstens eine Artikelversion haben, die zwar nicht neutral aber wenigstens nicht allzu selektiv-manipulativ auf den Leser wirkt. Auch weil ich in diesem Artikel bis dahin nichts bearbeitet hatte und somit kein Konfliktbeteiligter war, griff ich den Vorschlag auf und verschob in dem in der Zwischenzeit aufgrund Edit-Wars schreibgeschützten Artikel eine Passage zu einem Parteimitglied dieser Partei, welches die Partei meines Erachtens unangemessen in ein besseres Licht rücken sollte, mit einer (notwendigen) Begründung auf die Diskussionsseite.
Dies wurde mir jedoch leider als Vandalismus etc. ausgelegt und prompt revertiert. Ich meine, dass dies in diesem Fall eine zu reflexhafte Handhabung einschlägiger Regeln, wie der Vandalismusregelungen war (abgesehen davon, dass Vandalismus i.d.R. keine Begründung beeinhaltet) und empfinde in sehr gut (!) begründeten Fällen das Ignorier-alle-Regeln-Prinzip nach wie vor eminent wichtig, um flexibel und angemessen (re-)agieren zu können.
Ich bin daher der Ansicht, dass der von mir eingeschlagene Weg, noch nicht langfristig gesetzte heiß umkämpfte „Aufregerthemen“ in Politikartikeln vor Wahlen nur sehr restriktiv aufzunehmen und auch (mindestens) temporär zu entfernen, der richtige ist, um Tempo aus der Sache zu nehmen und dem Qualitätsanspruch der Wikipedia gerecht zu werden.